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Begrüßung und Thema: Heute vor genau 60 Jahren, am 11.4., wurde das KZ Buchenwald bei Weimar befreit. Die heutige Andacht erinnert an diese Befreiung.
Wir sind zusammen im Namen G“ttes des Vaters - Gerechtigkeit ist Sein Thron Jesu Christi – Ein Gerechter wird erhöht Geist G“ttes – wir üben Solidarität. Amen.
Selig sind, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen – denn ihrer ist das Reich G“ttes.
Barmherziger und treuer G“tt, vor Deinem Thron gibt es kein Vergessen Das Leid der Gequälten ist Dir vor Augen Die Namen der Ermordeten sind in Deine Hände gezeichnet Selig sind, die um Deinetwillen verfolgt werden Denn unter den Flügeln Deiner Nähe haben sie Ruhe und wohnen – unaufgestört, auf ewig. Amen.
Orgelmusik
Selig sind, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Reich G“ttes
Liebe Besucherinnen und Besucher, liebe Gemeinde!
Vor genau 60 Jahren, am 11. April 1945, in den frühen Nachmittagsstunden wurde das KZ Buchenwald nahe Weimar befreit, von innen und von außen. Amerikanisches Militär nähert sich, die SS flieht, einige Häftlinge ersteigen den Wachtturm über dem Haupt-Eingangstor, dasjenige Tor, mit dem der Zynismus der Nazis „Jedem das Seine“ zugeordnet hat, sieben Jahre lang von 1937 bis 1945, solange das Lager bestand. Vom erstiegenen Turm her weht die weiße Fahne, die Lagertore werden geöffnet, die überlebenden Menschen sind frei. 21.000 zerlumpte, halb und mehr verhungerte und kranke Menschen konnten überleben von den ca. 250.000, die dort über die Jahre inhaftiert waren. Mehr als 56.000 wurden ermordet. Der Augenblick der Toröffnung wird dem Zeitfluß entnommen und fixiert: die Uhr zuoberst des Eingangstores wird angehalten; bis auf den heutigen Tag zeigt sie den damaligen Zeitpunkt an - 15.15Uhr. Daß die Befreiung aus der Gewalt des Terrors und des Mordens nicht schon sogleich wieder im Fluß der vergehenden Zeit untergehe, sondern ins festgehaltene Jetzt hinübergerettet werde – darauf will diese Uhr verweisen, dem allein dient diese Uhr. Wie ein Mahnmal der Zeit: einer ihrer Momente, herausgesprengt aus dem Kontinuum, als habe dieser Moment Ewigkeit.
In der Nähe des Eingangstores, auf dem ehemaligen Appellplatz errichteten die befreiten Häftlinge im Mai 1945 einen hölzernen Obelisk; die Initialen K.L.B. (Konzentrationslager Buchenwald) wurden ihm eingeritzt. So erinnerten die Befreiten, was ihnen angetan ward, kaum daß die Verbrechen vergangen waren, damit aber mit dem Vergehen der Untaten nicht einherginge, vergessen zu werden. Der Obelisk existiert nicht mehr; stattdessen fügte man vor 10 Jahren eine Betonplatte in den Boden, nicht weit entfernt von der Stelle, an der der Obelisk stand. Eine Abb. dieser Betonplatte habe ich Ihnen für heute mitgebracht. „Warmes Mahnmal“ nennt der Künstler Horst Hoheisel sein Erinnerungs-Mal. Denn eine Flächenheizung in der Platte bewirkt, daß ihre Temperatur konstant auf 36,5 Grad gehalten wird, somit auf die menschliche Körpertemperatur verweist. Selbst im kalten Winter, wenn ringsum Schnee liegt, bleibt diese Platte warm und frei von Schnee. Fast immer knien die Besucher, die Buchenwald aufsuchen, nieder und berühren die Platte mit ihren Händen. Die eigene Körperwärme berührt sich mit der Wärme des Mahnmals, in der Berührung tauschen sich die Wärmeströme aus – und vergegenwärtigen unmittelbar sinnlich-körperlich das, was den gefangenen Menschen des Lagers so grausam fehlte: Wärme; Wärme der Kleidung und des Wohnens, Wärme des Essens, Wärme der Zuwendung, elementar, ganz einfach, weil wir Menschen sind, aus Fleisch und Blut, mit Leib und Seele, und darin einander so gleich. Das alltägliche Lagerregime des Terrors, der Folter und Bestrafung aber war so ersonnen, unseren Sinn für Gerechtigkeit und unseren Impuls, zueinander solidarisch zu sein, zu zerstören, und all das zu zerbrechen, worin wir G“ttes Ebenbild sind.
Und doch ließ es sich nicht zerbrechen. Stellvertretend für die vielen, die warmherzig und solidarisch aneinander handelten, erinnere ich uns heute an den ev. Pfarrer Paul Schneider, der aus seiner Bunkerzelle, seiner Einzelzelle heraus seinen Mitgefangenen morgens und abends predigend Mut machte, denen, die da in Hörweite auf dem Appellplatz stehen mußten: im Sommer in sengenden Hitze, im Winter in schneidenden Kälte. Ernst Cramer, ein nach den Novemberpogromen 1938 nach Buchenwald verschleppter deutscher Jude überliefert es so: „Am Nachmittag, als wir wieder einmal frierend in Reih und Glied dastanden, gab es ein Erlebnis besonderer Art. Der Appellführer ...hatte mit knarrender Stimme `Ruhe, absolute Ruhe´ befohlen, als aus dem Gebäude, in dem, wie man uns gesagt hatte, die Einzelbunker waren, eine laute, wehklagende Stimme erklang. Ganz deutlich waren die Worte aus der Bergpredigt zu hören: `Selig sind, die um der Gerechtigkeit verfolgt werden.´ `Stopft dem Pfaffen das Maul´, rief der SS-Leutnant wütend, und kurz danach wurde es tatsächlich still. `Selig sind, die Verfolgung leiden´, summte ein Fremder neben mir leise die Melodie aus dem `Evangelimann´“ (zit. aus „Konzentrationslager Buchenwald 1937-1945“, Begleitband zur ständigen historischen Ausstellung. hg. v.d. Gedenkstätte Buchenwald 1999, S. 130f.).
Auf dem Mahnmal der menschlichen Wärme, der ganz elementaren des Leibes - 36,5 Grad -, hat der Künstler die Namen aller 51 Nationen und nationalen Gruppen aufgeschrieben, die in Buchenwald zu Opfern wurden. Ins untere Segment meißelte er die Initialien K.L.B., die wie schon erwähnt, auch dem ersten Mahnmal des Obelisken eingeritzt waren. So vergegenwärtigt das jüngere Mahnmal das abwesende ältere Erinnerungszeichen der Häftlinge. Aus Holzteilen der niedergerissenen Baracken hatten die Hände der Befreiten das hölzerne Gedenkmal errichtet. Der Obelisk ist nicht mehr, und die Mehrzahl der im April 1945 befreiten Menschen lebt nicht mehr, aber die Wärme ihrer Hände ist da: so abwesend wie anwesend; dort im gleichbleibenden Wärmestrome der Betonplatte. Wenn wir uns bücken und sie berühren, spüren wir sie – wie wir uns selbst spüren. Erinnernd rühren wir an die Erinnerung derer, die damals überlebten. Wir treffen uns in einem Augenblick der Zeit, wir, die wir uns erinnern, heute, und die, die sich erinnerten, damals. Und an der Nahtstelle des sachten Treffens wird der Augenblick in die Ewigkeit gerettet, wie dort im Kasten der Uhr: 15.15 – so damals, so heute. Amen.
Lied: 486, 1.9
1. Ich liege, Herr, in
deiner Hut
9. Ich weiß, daß auch der Tag, der kommt,
Text: Jochen Klepper 1938 / Melodie: Fritz Werner 1951
Vers Vater Unser
Segen Orgelausklang . |
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