Gruß: Gnade sei mit euch und Friede
von G"tt, unserem Vater,
und von unserem Herrn Jesus Christus!
Der Predigttext für den heutigen
So steht im Brief des Paulus an die Galater, im Kap. 5 und 6.
Liebe
Gemeinde!
Ach,
schon wieder der Galaterbrief werden vielleicht
diejenigen von Ihnen denken, die regelmäßig hierher
kommen. Denn vor 4 Wochen genau war auch ein Abschnitt
des Galaterbriefes Predigttext. Allerdings aus dem Anfang
des Briefes, aus dem 2. Kap. Und wie anders waren da Ton
und Stil des Paulus: allerschwerstes Geschütz fuhr er
auf, um seine Gegner aus dem Felde zu schlagen; alle
Register hatte er gezogen, um seine geliebten Galater vor
den Gegnern, den Judenchristen zu retten. Die nämlich
waren in seine Galatergemeinde eingedrungen und hatten
sie beschwatzt: wer zum Volke G"ttes gehören wolle, der
müsse als Mann sich erst beschneiden lassen und jeder müsse
die ganze Tora, das jüdische Gesetz halten. Ja, war denn
da überhaupt noch Platz für Christus, schien es nicht,
als sei Christus also ganz umsonst gekommen? So hatte
Paulus im 2.Kap. gefragt.
Und so
wunderbar malte Paulus seinen Galatern den Christus vor
Augen, so hell und lichtvoll ließ er Christus
aufstrahlen, daß auf die jüdische Weisung, die Tora,
nur noch Schatten fiel.
Und nun,
hier gegen Ende des Briefes?
Ganz
anders der Ton, der Stil und auch der Inhalt des Briefes:
die Gegner sind besiegt, ihre theologischen Waffen sind
zerschlagen; Paulus wird ruhig. Freundlich redet er
seinen Galatern zu:
"Ihr Brüder" redet er sie an. Sanft ermahnt er
sie, aufeinander zu achten und nicht eigennützig zu sein.
Recht allgemeine Ermahnungen hören wir da, so wie sie öfter
in paulinischen Briefen zu hören sind. Also nichts
Aufregendes mehr. Stimmt´s ? Es stimmt nicht!
"Traget
einer des anderen Lasten, so werdet ihr das Gesetz
Christi erfüllen."
Nanu,
haben wir richtig gehört? Paulus spricht wirklich vom
Gesetz Christi oder wie wir auch sagen können
von der Tora Christi.
Aber hat nicht gerade Paulus uns den Gegensatz eingeschärft:
hie das Gesetz, an dem wir scheitern müssen, das Gesetz
der Unfreiheit und der Qual.
Quälend deshalb, weil unsere besten Absichten immer
wieder zerschellen müssen an den Forderungen des
Gesetzes? Dort aber: das Evangelium, die befreiende
Botschaft Christi, der das Gesetz beendet?
Gesetz gegen Evangelium also, Tora gegen Christus. Und
hat nicht gerade Luther sich stets auf Paulus berufen,
wenn er uns einschärfte: vermischt Gesetz und Evangelium
nicht, trennt es: wo das eine herrscht, muß das andere
weichen?
Und
jetzt das: Paulus selbst spricht vom Gesetz Christ, und
noch mehr. Er spricht davon, daß wir es erfüllen werden.
Also, daß wir es erfüllen können.
Offenbar
wird hier von niemandem zuviel verlangt. Niemand wird
hier überfordert und überfahren. Als sei es das Natürlichste
von der Welt: ihr werdet es erfüllen. Eine gute und fröhliche
Sache scheint es zu sein, gehorsam zu werden. Plötzlich
also: das Gesetz selbst schmeckt nach Freiheit.
Und das soll ein Vers des Paulus sein? Hat Paulus
vergessen, was er zuvor schrieb, oder hat ihm ein
Judenchrist oder ein irregeleiteter Schüler etwas
unterschoben? Haben wir es mit einer Fälschung zu tun?
Liebe Gemeinde,
ich kann Sie beruhigen. Es ist alles von Paulus, es ist
alles sogar bester Paulus. Schauen wir deshalb genauer
hin:
"Wenn
wir im Geiste leben, so laßt uns im Geiste auch wandeln",
so beginnt unser Predigttext. Wörtlich steht da: So laßt
uns der Marschordnung des Geistes folgen.
Das klingt ein bißchen militärisch, gemeint aber ist es
so:
Christus hat uns zu neuem Leben befreit; der große
Lastenträger trug unsere Lasten, unsere Verfehlungen. Er
nahm sie uns von den Schultern, lud sie sich auf und trug
sie hinauf ans Kreuz. Befreit können wir durchatmen und
ausschreiten, unser Fuß stößt nicht mehr an den Stein
vergangener Schuld.
Ein Anfang ist gemacht.
Nun aber
gilt es, dem neuen Leben Richtung, Trittfolge und Ziel zu
geben, auf daß es nicht im Unbestimmten, im Schwärmertum
verschwebe.
Auch das neue Leben im Geiste braucht Weisung.
Paulus ist Realist. Er sieht genau, wie die Welt von
Widerspruch und Leid gezeichnet ist, er hört das Seufzen
der bedrängten Kreatur, und vor der Bitterkeit des Todes
verschließt er nicht die Augen. Deshalb ist Paulus das
Schwärmertum etwa in Korinth auch so verhaßt: nur mit
sich beschäftigt, glauben die Korinther aller weltlichen
Not schon enthoben zu sein. In Zungenreden lallen sie, so
daß kein Uneingeweihter sie versteht. All das gilt
Paulus als zutiefst fleischlich.
Ja, so
denkt Paulus, und so ist es auch, liebe Gemeinde. Das
Geistvollste kann zutiefst fleischlich sein. Denn mit
Geist und Fleisch, diesem Gegensatz, meint Paulus nicht
irgendeinen Teil unserer Existenz, nicht den Gegensatz
von Vernunft und Körper, nicht den Gegensatz von Kopf
und Unterleib, vielmehr:
Geist
und Fleisch zielen je auf den ganzen Menschen. Ob jemand
aus dem Geiste oder aber aus dem Fleische lebt, das
betrifft seine ganze Weise zu existieren, das entscheidet
über sein ganzes Verhalten: wie er sich zu sich selbst
verhält, wie zu seinem Nächsten, wie zur Welt überhaupt.
Jemand,
der nach dem Fleische lebt, sucht in allem nur das Seine
und Eigene.
Luther
sagt es so: ein solcher Mensch ist ganz in sich selbst
hineingedreht und so ziemlich verdreht. Das alles kann
durchaus sehr geistvoll daherkommen: hochkultiviert und
gebildet. Es kann sich auch als Religion maskieren.
Besehen
Sie sich nur einmal die gegenwärtige religiöse
Erlebniskultur:
wie da die Einzelnen oder kleine Gruppen einen Tanz um
das eigen Ego vollführen, wie sie da ihre Bedürfnisse
pflegen und nach echten Erlebnissen gieren. Notfalls und
zumeist wird der biblische G"tt dann passend gemacht
Er wird es schon aushalten Hauptsache, Er paßt zu
den eigenen Bedürfnissen, wie fromm diese sich auch gebärden
es bleibt doch Fleisch.
Und
jetzt aber auch umgekehrt: das Fleischlichste kann ganz
und gar geistlich sein. Wer im Diakonischen Werk auf
Heller und Pfennig rechnet, wer sich in das Gestrüpp der
ökonomischen Welt begibt, um der gemeindlichen Diakonie
Geld zuzuführen, oder wer seinen Nächsten von Speichel
und Kot befreit und reinigt, der lebt aus dem Geist.
Er lebt
aus dem Geist, welcher in der Weisung Christi Gestalt und
Konkretion gewinnt: Traget ein Jeder die Lasten des
Anderen! Damit werdet ihr die Tora Christi erfüllen.
Wohlgemerkt, es heißt nicht, jeder ertrage und trage
seine eigene Last, d.h. jeder beuge sich unter das Päckchen,
das wer auch immer ihm auferlegt hat. Nein,
so heißt es:
Weil Christus uns unsere eigenen Lasten abnahm, sind wir
frei, die Lasten des Anderen zu tragen, sind wir frei,
Christus nachzufolgen. So wie er sich die Menschen in
seine Nächsten verwandelte, so könne auch wir uns vom
Anderen unbedingt angehen lassen. Wir können noch
einmal Luther wir können einander der Christus
sein.
Allerdings:
wer zu solchem Können befreit ist, der ist auch
verpflichtet, dies Können zu gebrauchen. Paulus läßt
es nicht an Deutlichkeit fehlen: jeder prüfe sein Werk,
jeder schaue, ob seine Taten wohl im Gericht Bestand
haben können.
"Wer
auf sein Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten;
wer aber auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben
ernten", sagt Paulus gegen Ende unseres
Predigttextes.
Aber das
Jüngste Gericht, wann kommt es?
In etwa
einer halben Stunde wird in der Duisburger Synagoge das Schofar,
das Widderhorn geblasen werden. Denn es ist Neujahr, jüdisches
Neujahr, genauer der zweite Tag des jüdischen
Neujahrfestes. Nicht nur ein neues Jahr wird geboren,
sondern die ganze Schöpfung wird erneuert. Doch keine
Neuschöpfung ohne Gericht, und so liegt auf dem
Neujahrsfest auch der ganze Ernst des Gerichtes. Von
Neujahr an bis zu Jom Kippur, dem großen Versöhnungstag,
das sind genau 10 Tage, tun gläubige Juden und Jüdinnen
genau das, was der Jude Paulus auch uns weist: jeder prüft
sich selbst, seine Taten und seine Unterlassungen; jeder
legt vor sich selbst, aber vor allem vor G"tt
Rechenschaft ab. Und während man so verfährt, schreibt
der große König in den Himmeln für jeden das Urteil.
ER schreibt es auf, aber das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig und gültig. Erst am Abend des großen
Versöhnungstages, am Ende von Jom Kippur, setzt der
Ewige unter das Urteil Seine Unterschrift und Sein Siegel.
In den
10 Tagen zuvor nämlich besteht die Chance, den
Urteilstext umzuschreiben: durch gute Taten, aufrichtige
Reue und wirkliche, glaubhafte Umkehr.
Einmal
im Jahr also zieht Israel die Seelenprüfung der
Einzelnen und das Jüngste Gericht zusammen, einmal im
Jahr liegt auf einer Zeitspanne von 10 Tagen der ganze
Ernst, es seien meine letzten Tage, einmal im Jahr
rechnet Israel auch mit dem Abgrund. Mit der abgründigen
Möglichkeit nämlich, G"tt könnte die Tore der
Vergebung in Seine Himmel hochziehen, ohne daß wir
rechtzeitig in diese Tore eingetreten wären.
Wann
also kommt das Gericht?
Nur G"tt
weiß es. Und deshalb lehren die jüdischen Weisen:
zu jeder Zeit verhalte dich so, als wäre es dein letzter
Tag, zu jeder Zeit handle so, als wären deine guten
Taten im Gleichgewicht mit deinen Schlechten, so daß
deine nächste Tat ausschlaggebend sei, in welche
Richtung sich die Waage senkt."
Amen.
Un der
Friede G"ttes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre
eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Der Brief des Paulus an die
Galater
5,25 Wenn
wir im Geist leben, so laßt uns auch im Geist wandeln.
26 Laßt
uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht
herausfordern und beneiden.
6,1 Liebe
Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt
wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem
Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich
selbst, daß du nicht auch versucht werdest.
2 Einer
trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi
erfüllen.
3 Denn
wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts
ist, der betrügt sich selbst.
4 Ein
jeder aber prüfe sein eigenes Werk; und dann wird er
seinen Ruhm bei sich selbst haben und nicht gegenüber
einem andern.
5 Denn ein
jeder wird seine eigene Last tragen.
6 Wer aber
unterrichtet wird im Wort, der gebe dem, der ihn
unterrichtet, Anteil an allem Guten.
7 Irret
euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten. Denn was der
Mensch sät, das wird er ernten.
8 Wer auf
sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben
ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem
Geist das ewige Leben ernten.
9 Laßt
uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner
Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen.
10 Darum,
solange wir noch Zeit haben, laßt uns Gutes tun an
jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen
Luther Übersetzung