Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist,
der da war und der da kommt!
Der Predigttext für den
heutigen letzten So der Epiphanias-Zeit steht im 2. Buch Mose, Kap. 3, VV. 1-14.
Wir hören den Text in der jüdischen Übersetzung von Martin Buber und
Franz Rosenzweig.
2. Mose, Kap. 3, 1-14 |
1 Mosche
war Hirt der Schafe Jitros seines Schwähers, Priesters von Midjan.
Als er
die Schafe hinter die Wüste leitete, kam er
an den Berg Gottes,
zum Choreb.
2 SEIN
Bote ließ von ihm sich sehen in der
Lohe eines Feuers mitten aus dem Dornbusch.
Er sah: da, der
Dornbusch brennt im Feuer, doch der Dornbusch bleibt unverzehrt.
3 Mosche
sprach:
Ich will
doch hintreten und ansehn
dieses große Gesicht - warum der
Dornbusch nicht verbrennt.
4 Als ER
aber sah, daß er hintrat, um anzusehn, rief Gott
ihn mitten aus dem Dornbusch an,
er sprach: Mosche!
Mosche!
er sprach: Da bin
ich.
5 Er aber
sprach:
Nahe nicht
herzu, streife
deine Schuhe von deinen Füßen,
denn der
Ort, darauf du stehst, Boden der Heiligung ists.
6 Und sprach:
Ich bin
der Gott deines Vaters,
der Gott
Abrahams,
der Gott
Jizchaks,
der Gott
Jaakobs.
Mosche
barg sein Antlitz,
denn er
fürchtete sich, zu Gott hin zu blicken.
7 ER aber
sprach:
Gesehn
habe ich, gesehn die Bedrückung meines Volks, das in Ägypten ist,
ihren Schrei
vor seinen Treibern habe ich gehört,
ja, erkannt
habe ich seine Leiden.
8 Nieder
zog ich,
es aus
der Hand Ägyptens zu retten,
es aus
jenem Land hinaufzubringen
nach einem
Land, gut und weit,
nach einem
Land, Milch und Honig träufend,
nach dem
Ort des Kanaaniters und des Chetiters,
des Amoriters
und des Prisiters,
des Chiwwiters
und des Jebussiters.
9 Nun,
da ist
der Schrei der Söhne Jissraels zu mir gekommen,
und gesehn
auch habe ich die Pein, mit der die Ägypter sie peinigen:
10 nun
geh,
ich schicke
dich zu Pharao,
führe mein
Volk, die Söhne Jissraels, aus Ägypten!
11 Mosche
sprach zu Gott:
Wer bin
ich,
daß ich
zu Pharao gehe,
daß ich
die Söhne Jissraels aus Ägypten führe!
12 Er aber
sprach:
Wohl, ich
werde dasein bei dir,
und dies
hier ist dir das Zeichen, daß ich selber dich schickte:
hast du
das Volk aus Ägypten geführt,
an diesem
Berg werdet ihr Gotte dienstbar.
13 Mosche
sprach zu Gott:
Da komme
ich denn zu den Söhnen Jissraels,
ich spreche
zu ihnen: Der Gott eurer Väter schickt mich zu euch,
sie werden
zu mir sprechen: Was ists um seinen Namen? -
was spreche
ich dann zu ihnen?
14 Gott
sprach zu Mosche:
Ich werde
dasein, als der ich dasein werde.
Und er
sprach:
So sollst du zu den Söhnen Jissraels sprechen:
ICH BIN
DA schickt mich zu euch. |
Liebe
Gemeinde!
„Wir wollens nicht ergünden,
wir wollen nur vertrauen“, lautete das soeben Gesungene [EG 649].
Aber nein, wir wollens
wohl ergründen und nicht nur vertrauen – mag sein, wir müssen uns dann doch
zuletzt begnügen mit dem, was wir ergründen können, mag sein, das ist weniger,
als wir wollten. Aber so vom Anfang weg wollen wir uns unsere Neugier nicht
versagen. Vertrauen wollen wir, aber nicht blind, sondern hellsichtig, mit einer
hell gemachten Sicht – denn G“tt zeigt uns etwas, etwas ganz Besonderes,
Er
sagt uns Seinen Heiligen Namen:
„Ich werde dasein, als
der ich dasein werde.“
Aus dem Feuerdorn heraus
spricht G“ttes Stimme, zu Mose, Mosche, denn einen wichtigen Auftrag hat Er
für den Hirten. Der, der die Schafe hütet, soll bald das ganze Volk Israel hüten
und antreiben, aus der Knechtschaft in die Freiheit, mit G“ttes Hilfe soll er
das tun.
Wir wollens also wohl ergründen
und so neugierig sein wie Mose. Der hat drei große Fragen, die weitergespannt
gar nicht sein können. Er hat sie nicht aus sich heraus, aus seiner Klugheit
und Vernunft, und im Studierkämmerlein hat er sie sich auch nicht ausgedacht,
keine selbst ausgedachten und keine theoretischen Fragen sind es, die Mose fragt.
Sie sind es deshalb nicht, weil G“tt auf diese Fragen bringt.
- Mose fragt „Warum
verbrennt der Dornbusch nicht?“, was für ein wundersamer Ort der Welt ist das,
an dem solches geschehen kann?
- Und er fragt: „Wer bin ich, daß
ich zu Pharao gehe und Israel aus Ägypten führe?“, wer bin ich denn, daß Du,
G“tt, mich so ansiehst?
- Und schließlich fragt er: „Wer bist
Du, G“tt, was ist Dein Name?“, woran erkennen wir Dich, so daß wir auf Dich
trauen werden?
Wie gesagt, reichlich weitgespannte Fragen
stellt Mose; und auf alle drei Fragen wird er eine Antwort erhalten. Zwischen
den Fragen und ihren Antworten steht der Name G“ttes – eine Mitte, die Mitte,
durch die die Fragen in ihre Antworten hinübergehen.
„Ich werde dasein, als der ich dasein
werde.“
Wer außer G“tt kann so über die Zukunft
verfügen und sagen „Ich werde dasein“?
Sicher, auch wir sagen so alltagssprachlich
„ich werde dann und dann da sein“, weil wir mit unserer Zukunft rechnen.
Sie ist ja auch in der Regel wahrscheinlich, wenngleich wir uns zu Recht scheuen,
sie gewiß zu nennen.
Wir scheuen uns, denn Menschen, die aus
G“tt her leben, wissen, daß sie ohne G“ttes Hilfe keinen Schritt machen könnten,
sondern abstürzen würden.
Es mag ja eine Zukunft geben, doch ob
wir an ihr beteiligt sein werden, ist uns entzogen.
Nur G“tt kann über die Zukunft
hinsehen, allein G“tt kann sich die Zukunft, alle Zukunft so beistellen, daß
sie Seine Zukunft wird: „Ich werde dasein“. Ein Zukunftssatz, ein G“ttessatz.
Aber was für eine Zukunft setzt G“tt sich
da voraus? Da-sein wird Er. Wo ist G“ttes „Da“? Im brennenden und nicht verbrennenden
Dornbusch ist G“ttes Da.
Der Dornbusch mit seinen gelbleuchtenden
Blüten blüht und leuchtet nun aus seinem Innersten, weil G“ttes Feuer in ihm
Wohnung genommen hat.
Dort ist G“ttes Da, im niedrigsten Strauch
aller Sträucher, dort hinab ist G“ttes Treue gekommen, und Sein Erbarmen und
Sein Mitleid, denn Er hat die Not Seines Volkes erkannt. Mit allen Seinen G“ttes-Sinnen
ist Er beteiligt: gehört das Schreien und Klagen, gesehen das
Elend und Unrecht, gefühlt und liebend erkannt die Schmerzen. All das
brennt im Innersten des Dornbusches.
Denn der Ewige, der Herr der Heerscharen,
dem alle Engel und Mächte und Gewalten dienen, ist herabgekommen – Er konnte
gar nicht anders.
Liebe
Gemeinde,
hören wir einmal, wie die jüdischen Weisen
den nicht verbrennenden Dornbusch und G“ttes brennende Stimme in des Dorns Mitte
deuten:
„`Tu mir auf, meine Schwester, meine Freundin,
meine Taube, mein Zwilling´(Schir haSchirim 5,2). So wie Zwillinge den Schmerz
des anderen Zwillings an sich spüren, so auch der Heilige, gepriesen sei Er.
`In Bedrängnis werde ich bei ihm sein´ (Ps 91,15). So sprach der Heilige, gepriesen
sei Er:
Merkst du nicht, dass ich selber vor Schmerz
zerrissen werde, wenn Israel vor Schmerz zerrissen wird? Daher erkenne durch
den Ort, an dem ich mit dir rede, aus den Dornen, dass ich selber an ihren Leiden
teilhabe“
(Schemot Rabba 2,7).
Unmittelbare, unaufschiebbare, unvermeidbare
Sym-Pathie also, d.h. ja übersetzt Mit-Leiden: wie dir geschehe, so geschehe
Mir – Ich will es auch gar nicht anders, sagt G“tt, der Heilige, gelobt sei
Er.
Und geht hinab, mit hinein in die dornige
Sklaverei und läßt sich verletzen, der Verletzbare. Ob Seine Fittiche, die Flügel,
darunter alles bedrängte Volk sich birgt, unversehrt, unzerrissen bleiben?
Dort ist G“ttes Da, dort wird Er, der
Heilige, sein, wo die Bedrängten Seines Mit-Leidens bedürfen, dort ist Seine
Zukunft, je und je. Das sind die heiligen Orte, an denen wir G“tt begegnen.
Nicht solche, die wir von der Welt absondern und unterscheiden, so als ob wir
über den Unterschied des Heiligen vom Profanen geböten.
„Nahe nicht herzu, streife deine Schuhe
von deinen Füßen, denn der Ort, darauf du stehst, Boden der Heiligung ists.“
G“tt ortet die Welt in Orte, Ihm zu
begegnen – nicht wir, nicht die Welt.
Und dort an diesen heiligen Orten brennt
G“ttes Mitleid, ohne zu verbrennen.
Darum, Mosche, verbrennt der Dornbusch
nicht, weil G“ttes Nähe in ihm wohnt.
Und dann wird Mose sich selbst ganz fraglich
und fragt danach, wer er denn sei.
Wir können diese seine Frage und Fraglichkeit
gut nachvollziehen, angesichts der Aufgabe, zu der ihn G“tt ausersehen hat:
zum mächtigen Pharao zu gehen und etwas nahezu Unmögliches zu fordern, das Sklavenvolk
frei zu geben; zum Volk Israel zu gehen und diesem elenden Häuflein an Demoralisierten,
Verängstigten mit krummem Rücken und stumpfem Blick den Freiheitswillen, ja
überhaupt wieder einen Eigenwillen zu wecken.
„Wer bin ich denn, daß Du mir das anträgst?“
Mosche tritt sich selbst fraglich gegenüber, weil G“tt ihm gegenübergetreten
ist. Ob es nicht überhaupt so ist, daß all unsere wichtigen Fragen nach uns
selbst, nach unserer Identität solche sind, die wir aus einer Begegnung mit
G“tt her haben? Daß wir erst im Angesicht G“ttes uns selbst fraglich werden?
Aber statt Mosche auf den Kopf zuzusagen,
wer er denn sei, etwa ein „Du bist der rechte Mann“, sagt G“tt ihm den g“ttlichen
Namen zu: „Ich werde dasein bei dir“, „Ich werde mit dir sein“, „bei dir
wird mein Da sein“ – und so geht Mosches Frage durch G“ttes Namen in ihre
Antwort hinüber.
Wer wir denn seien, das verortet G“tt
darin, wie Er mit uns sein wird; kein isoliertes „Du bist“, sondern: „Ich mit
dir“, „dein bin Ich“, „Mein bist du“.
G“ttes Rede an Mosche, kaum daß sie anhob,
stiftet Verbindlichkeiten und verbündet, wer zu wem gehört.
Nicht: „Ich bin
G“tt“, sondern gleich: „Ich bin der G“tt deines Vaters“.
Kein abstraktes
Volk, dem G“tt sich zuwendet, vielmehr: „Mein Volk“. G“tt spricht und
ordnet „Ich“ und „Du“, „mein“ und „dein“ einander zu.
Unsere Selbstbefragungen und Identitätsantworten,
sie kommen zur Sprache dadurch, wie G“tt sich uns
beigesellt. Darin haben wir all unsere Unruhe und unsere Ruhe.
Und nun die dritte große Frage, die nach
G“tt selbst, nach Seinem Namen fragt:
wer Er denn sei und wie Sein Name, auf
daß man sich darauf verlassen könne.
Und einen Rätselnamen bekommt Mosche und
wir auch zu hören:
„Ich werde dasein, als der ich
dasein werde“.
In der Mitte der Zusage, die G“tt Mosche
und Seinem Volk gibt, in der Mitte verrätselt sich G“tt.
Mitgehend und sich
beigesellend, darauf können sich Israel und alle Bedrängten verlassen, wunderbar
ist es, aber nicht rätselhaft.
Doch wie der Heilige, gelobt sei
ER, es tun wird, das gehört ganz in seine Freiheit, davon können wir nicht wissen.
Wann immer und wie immer das sein wird, darin ist G“tt ganz bei sich und in
sich; daran hat unser menschliches Verstehen- und Ergründenkönnen seine Grenze,
unser Vertrauen jedoch nicht.
Über den Abgrund der Rätselmitte trägt
unser Vertrauen, eine Brücke von Da-Sein zu Da-Sein. Über den Abgrund der Rätselmitte
trägt auch meine Verzweiflung und meine Klage, die nicht versteht und deshalb
G“tt befragt, wo Er denn gewesen sei in meiner Not, dort, an dem Ort, an dem
ich nicht erkennen konnte, daß Er da war, bei mir. Eine schmale und vielleicht
auch schwankende Brücke ist die Klage, aber sie hält und verbindet. Sie geht
G“tt in Seine innigliche Freiheit nach und bleibt Ihm zugetan.
Ob G“tt unserer Klage, die Ihn nicht loslassen
will, sogar bedarf, damit Er sich nicht zu sehr in Seiner Freiheit verrätselt?
Lebendiger und treuer G“tt,
wir bleiben also
miteinander im Bunde, wir mit Dir, Du mit uns – von Ort zu Ort, von Da zu Da.
Und wie Du gehst und wie Du handelst, so bist Du und so sind Deine Namen. „Du
bist, wie Du bist - schön sind Deine Namen“, wie es im Lied heißt, das wir zum
Schluß singen werden [EG
664].
Deine Namen:
- Herr der Herrscharen, wenn Du Krieg
führst gegen die Unterdrücker und
Peiniger
- Elohim, G“tt, denn dann bist Du Richter
und richtest Deine Welt
- Allmächtiger, El Schaddai, wenn Du unseren
Untaten Dein Urteil zumißt und
sie ahndest
Was aber wäre Dein Kriegführen, Richten
und Ahnden, was wäre all Deine Gerechtigkeit, wenn nicht Deine Barmherzigkeit
hinzuträte, was wäre all Dein Tun, wenn es nicht an Deinem Erbarmen sein
Maß fände – wenn es nicht Deinen heiligen Namen gäbe, darin alle Deine Namen
sich vollenden:
- Du, Ewiger, Herr, Adonai, Der Du barmherzig
und gnädig
bist – das ist Dein Name auf Weltzeit.
Das ist Der Name, der Dich im
Niedrigsten wohnen läßt und doch Deine
Freiheit wahrt, verletzbar und doch
uns entzogen.
Gelobt sei Der Name, der G“tt Abrahams,
Isaaks und Jakobs – der Vater Jesu Christi.
Amen.
Liturgie
des G"ttesdienstes